Deniz Seyhun zur Silvesterdebatte in der BVV Berlin-Mitte

Deniz Seyhun zur Silvesterdebatte

Auch in der BVV Berlin-Mitte ist die unsägliche und rassistische CDU Debatte zu den Ausschreitungen von Silvester angekommen. Deniz Seyhun – unsere Sprecherin für Gleichstellung – hat dazu einen Redebeitrag gehalten, der jetzt mit Untertiteln auch Online angesehen werden kann.

Alle Jahre wieder und gerade im Wahlkampf wird halt im rechten Sumpf gefischt.

Nach dieser Silvesternacht in Berlin war die Empörung groß. Bei uns allen – Ja. Aber manche haben aber auch von „marodierenden Horden von Migranten“ wie etwa in der Bildzeitung. Manche sprachen von „gewaltbereiten Integrationsverweigerern“, denen man „mit harter Hand und klarer Sprache“ begegnen müsse. Die Berliner CDU verlangt in "AfD"-Manier eine Offenlegung der Vornamen der Gewalttäter. Nicht die der Polizisten und Sanitäter – die ürbigens auch nicht alle nur urdeutsche Vornamen haben meine Lieben. Auch darunter gibt es viele Menschen mit Migrationsgeschichte die verletzt wurden. Wir verurteilen die Taten insgesamt. Egal welche ethnische Herkunft diese Menschen haben und es tut uns Leid um diejenigen die verletzt wurden, egal welche Herkunft diese Menschen haben. Darum geht es.

Aber was für Signale sendet die CDU? 'Ihr könnt machen, was ihr wollt, und euer deutscher Pass ist uns egal - ihr habt einen fremd klingenden Namen, und deshalb werdet ihr nie richtige Deutsche sein!' Das – meine lieben Kolleginnen und Kollegen – das ist das Signal, was hier in den letzen Wochen von manchen Politikerinnen und Politikern an die Jugend in Berlin gegangen ist. Shame on you! *Applaus*

Ich frage Sie – Liebe Kollegen von der CDU – Was ist das eigentlich für ein Beitrag zur Integrationsdebatte? Er ist rassistisch, er ist nicht konstruktiv, aber es ist halt Wahlkampf. Und der Antrag der CDU setzt eben genau diese Sachen fort, in der sie Berliner Kinder in Anführungsstriche setzt – sie sind also nicht wirklich Berliner Kinder, nur die sogenannten, die 2. Klasse. Wir haben überhaupt kein Problem damit, transparent über Taten und Täter zu sprechen, aber dann bitte sachlich und einordnend. Nicht ideologisch mit gefährlichen, stigmatisierenden und populistischen Forderungen. Wir bestrafen nämlichen Gewalttaten und nicht die Herkunft!

Ich möche mich auch gar nicht mehr über die diversen Zahlen äußern die in den letzten 2,5-3 Wochen unterwegs waren. Wir wissen das sich das alles etwas relativiert hat. Aber darum geht es auch gar nicht. Für viele scheint ja ausgemacht, dass dieser Ausbruch von Gewalt gegen Vertreter*innen der Staatsmacht eine bislang unbekannte Qualität und Brutalität hat. Ich kann ihnen nur sagen: Dieser Eindruck täuscht.

Schauen wir zurück auf die Jahrzehnte, als in diesem Land die Heranwachsenden noch zu nahezu 100 Prozent einen biodeutschen Hintergrund hatten – schauen wir uns nochmal die 1950er, 60er, 70er und die 80er Jahre an. In all diesen Jahrzehnten war jugendliches Aufbegehren auch immer mit Gewalt gegen Polizisten, Sanitäter und die Feuerwehr verbunden. So handhabten das die jungen Menschen aus urdeutschen Mittelschichtsfamilien.

Aufbegehren, Ungeduld, radikaler Protest – und das meine ich jetzt nicht nur auf Silvester bezogen – politischer Ungehorsam, konfrontatives Verhalten gehören zu einer dynamischen Gesellschaft. Auf die Gegenseite gehören Erwachsene und Institutionen, die Grenzen ziehen, Bestehendes bewahren und Bewährtes verteidigen. Diese dialektische Entwicklung und diese Balancen sind ein für Garant gesellschaftlicher Entwicklung. So ist das seit Generationen in modernen Gesellschaften. Zu den zähle ich unsere auch.

Und wir verfügen wirklich über hinreichend Erfahrungen im Umgang mit jugendlicher Gewalt. Es gibt bewährte Konzepte der Prävention, Intervention und Repression. Eine Lehre aus vergangenen Erfahrungen lautet: Repression allein und markige Sprüche führen zu nichts. Jugendliche machen hier nicht nur Probleme, in der Regel haben sie auch welche. Und manchmal, schafft unangemessenes Polizeiverhalten vor allem gegen Minderheiten auch erst die Probleme, die es dann zu lösen gilt. Das ganze ist eben doch etwas komplexer.

Und zu einer wirksamen Auseinandersetzung mit aufbegehrenden Jugendlichen braucht es mehr als verbale Aufrüstung und Aufstockung der Polizeikräfte. Wer wertgeschätzt wird, wird kaum noch Zukunftsängste haben oder Wut auf die Gesellschaft entwickeln. Es braucht für diese Jugendlichen – letzter Satz – und ihre Familien auch eine Wirtschafts-, Wohnungs- und Arbeitsmarktpolitik, eine ordentliche Präventions- und Bildungspolitik und Chancengleichheit, also Zukunftschancen, die diesen Namen verdienen. Für alle Menschen – egal welche Vornamen sie haben. Danke.