„Aufstocker“ im Jobcenter Mitte und sittenwidrige Bezahlung

Als „Aufstocker“ werden umgangssprachlich oft Personen bezeichnet, die mit ihrer Beschäftigung ein so geringes Einkommen erhalten, dass sie ergänzend finanzielle Unterstützung vom Jobcenter erhalten müssen. Die Zahl dieser Menschen ist im Bezirk Mitte in den letzten fünf Jahren angestiegen, wie eine Anfrage der Fraktion DIE LINKE an das Bezirksamt verdeutlicht (Drs. 0543/IV).

Konnten im Februar 2008 13.240 Personen von ihrem Job nicht leben, stieg die Zahl in 2013 auf 16 862 an. Davon waren über die Hälfte männlich (58,4 %) und im Alter zwischen 25 und 55 Jahren. Die große Mehrzahl der „Aufstocker“ war und ist in Minijobs mit einem Bruttoeinkommen mit weniger als 450 Euro beschäftigt. Nur 1181 Personen bezogen ein Bruttoeinkommen von mehr als 1200 Euro. Verschafft man sich einen Überblick, in welchen Branchen diese Menschen tätig sind, werden am häufigsten die Branchen Gastgewerbe, Handel, Instandhaltung und Reparatur von Kfz, wirtschaftliche Dienstleistungen (ohne Reinigungsdienste) und Gesundheits- und Sozialwesen genannt. Jeder Fünfte der sozialversicherungspflichtig beschäftigten „Aufstocker“ arbeitete im November 2012 im Gastgewerbe. Selbständige oder freiberufliche Tätigkeiten der erwerbstätigen Arbeitslosengeld II-Bezieher werden statistisch nicht erfasst.

Wir fragten nach sittenwidrigen Bezahlungen und der Anzahl der erfassten Verdachtsfälle in den vergangenen fünf Jahren. Das Jobcenter Mitte führt dazu keine Statistik. Es sei – so die Mitteilung - sehr schwer, Sittenwidrigkeit bei Entlohnung nachzuweisen. Die Vergütung müsse in einem auffälligen Missverhältnis zur Arbeitsleistung stehen und durch Ausnutzung der Zwangslage des Arbeitsnehmers zustande gekommen sein. Auf Schätzungen beruht die Zahl von fünf bis zehn jährlichen Verdachtsfällen, Fälle der Prüfung und Ahndung sind nicht bekannt.

Regelmäßig arbeiten zu gehen und trotzdem vom Jobcenter abhängig zu sein, ist bitter und auf Dauer nicht zu akzeptieren. Allein im Bezirk Mitte sind fast 17.000 Menschen davon betroffen. Ein gesetzlicher Mindestlohn, wie ihn die LINKE fordert, ist dringend notwendig. Allerdings, das bestätigt auch die Antwort des Bezirksamtes, ein Mindestlohn von nur 8,50 Euro würde lediglich im Fall von 1-Personen-Haushalten eine Garantie geben, durch seine Erwerbstätigkeit von ergänzenden Leistungen des Jobcenters unabhängig zu sein. Alle müssen von ihrer Erwerbsarbeit leben können. Deshalb: flächendeckender Mindestlohn in Höhe von zehn Euro, keinen Aufwuchs von Minijobs, befristeten Stellen und Beschäftigung, von der man nicht leben kann.

Elke Reuter