Würdigung und Gedenken der Menschen, die während des Nationalsozialismus als "Asozial" verfolgt und ermordet wurden
Die Bezirksverordnetenversammlung möge beschließen:
Das Bezirksamt wird ersucht, in Zusammenarbeit mit dem Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg, zu prüfen, wie in Kooperation mit Museen, Gedenkstätten, Selbst-Vertretungen und Historiker:innen ein Gedenken und eine Würdigung für die Opfer, die während des Nationalsozialismus als "Asozial" verfolgt wurden, umgesetzt werden kann.
Dabei soll insbesondere der Platz zwischen der Zwölf-Apostel-Kirche (Schöneberg) und der Kurfürstenstraße (Schöneberg/Mitte) geprüft werden. Für Beteiligung der oben genannten Akteur:innen, den Entwurf und die Umsetzung soll ein Konzept entworfen und geprüft werden, wie eine Finanzierung über das Land Berlin, Stiftungsgelder o.ä. erfolgen könnte.
Begründung:
Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs bleiben in der Erinnerungskultur beträchtliche Leerstellen bestehen. Das Leid von zehntausenden Frauen, Männern und Jugendlichen dringt erst allmählich ins öffentliche Bewusstsein vor. Die als "asozial" klassifizierten Menschen wurden aufgrund von Merkmalen wie Obdachlosigkeit, Arbeitslosigkeit oder dem Wahrnehmen von Arbeitsrechten, Sexarbeit[1], psychischen Erkrankungen oder auch wegen Trans-Identitäten oder Homosexualität stigmatisiert und grausam verfolgt. Die Biographien einiger dieser Menschen, wie von Martha Ndumbe, Alice Haberland, Liddy Bacrov, Hedwig Proschütz und Charlotte Erzleben werden in der aktuellen Ausstellung zur Geschichte der Sexarbeit im Schwulen Museum „With Legs Wide Open“, besonders auch in Schöneberg in Kontext gesetzt und dargestellt. Sie wurden in Konzentrationslagern und Heimen und psychiatrischen Anstalten festgehalten und ermordet, und viele von ihnen wurden zwangssterilisiert[2].
Nach dem Krieg wurden die Überlebenden von Entschädigungsleistungen ausgeschlossen. Diejenigen, die von den Nationalsozialisten als "Asoziale" verfolgt wurden,[3] wurden auch in der Nachkriegsgesellschaft weiterhin misstrauisch betrachtet, stigmatisiertund ausgegrenzt. Sowohl bei den Betroffenen selbst als auch in den folgenden Generationen führte die Scham über die Gründe ihrer Verfolgung zu jahrzehntelangem Schweigen. Erst in den 1980er Jahren begannen einzelne Forscher:innen damit, die Verfolgung aufzuarbeiten. Dennoch vergingen weitere Jahrzehnte, bis das Thema die angemessene Aufmerksamkeit erhielt. Erst im Jahr 2020 entschied der Deutsche Bundestag, die als "Asoziale" und "Berufsverbrecher" Verfolgten als Opfer des Nationalsozialismus anzuerkennen[4]. Zur Erinnerungskultur muss gehören, dass ihre Leiden und Opfer nicht vergessen werden.
Ein würdevolles Gedenken für die Opfer, die als „asozial“ unter dem Schwarzen Winkel verfolgt wurden, soll gleichzeitig ein Zeichen des Mitgefühls und des Respekts gegenüber allen Menschen, unabhängig von ihrer sozialen Stellung oder Lebensweise setzten. Ein Denkzeichen braucht maßgeblich die Beteiligung von Selbst-Organisationen von Sexarbeiter:innen und Initiativen von Menschen mit Behinderungen und oder psychischen Beeinträchtigungen. Es ist wichtig, dass wir als Gemeinschaft die Erinnerung an die Vergangenheit bewahren, um sicherzustellen, dass solche schrecklichen Ereignisse niemals wieder geschehen. Die heutzutage stattfindende Gewalt gegen Sexarbeitende weist geschichtliche Kontinuitäten auf. Diese gilt es aufzubrechen. Durch die Errichtung einer Gedenkstätte für die als "asozial" Verfolgten können wir einen Schritt in diese Richtung machen.
[1] Ausstellungsdokumentation, S. 69 www.schwulesmuseum.de/ausstellung/with-legs-wide-open-ein-hurenritt-durch-die-geschichte/
[2] www.stiftung-denkmal.de/ausstellung/die-verleugneten/
[3] gedenkort-kz-uckermark.de/kontinuitaeten/
[4] Ebd.
Sanehy, Diederich und die anderen Mitglieder der Fraktion Die Linke