Bürgernah, sozial und gerecht - Konsequenzen aus der Corona-Krise

BVV Mitte von Berlin

20.04.2020

Fraktion DIE LINKE

 

Antrag

 

Bürgernah, sozial und gerecht - Konsequenzen aus der Corona-Krise

 

Die Bezirksverordnetenversammlung möge beschließen:

 

1. Das öffentliche Gesundheitssystem leistet Enormes. Dafür einen großen Dank an die dort Beschäftigten stellvertretend für all diejenigen, die in diesen Tagen für das Funktionieren unseres Gemeinwesens sorgen. Eine der wichtigsten Erfahrungen dieser Krise ist: Wir brauchen ein deutlich ausgebautes, mit mehr Ressourcen ausgestattetes öffentliches Gesundheitswesen, mit dauerhaft und deutlich besser bezahlten Beschäftigten. Dafür soll sich das Bezirksamt gemeinsam mit dem Senat einsetzen. Das gilt auch für die bevorstehenden Tarifverhandlungen für diese Beschäftigten. Wir ersuchen das Bezirksamt darüber hinaus kurzfristig Folgendes sicherzustellen:

  • Die Bauarbeiten auf dem Gelände der Turmstr. 21 müssen beschleunigt werden, um die dort vorhandenen und noch geplanten Baulichkeiten des Gesundheitsamtes sehr viel schneller zu realisieren.
  • Alle offenen Stellen im Gesundheitsamt sollen mit hoher Priorität und schnellstmöglich besetzt werden.
  • In den Gesprächen mit dem Senat sollen alle Vorbereitungen getroffen werden, dass spätestens mit dem Haushalt 2022/23 das schon lange angestrebte „Gesundheitsamt der Zukunft“ mit allen damit verbundenen Personalverbesserungen vollständig realisiert wird.

 

2. Die Corona-Krise bedroht die Existenzgrundlagen vieler Menschen. Kurzarbeit oder der Verlust des Arbeitsplatzes sind bereits Realität in vielen Familien unseres Bezirks. Ungewiss ist die Ausbildungssituation. Die aktuelle Situation bedroht die soziale Lage vieler Familien in unserem Bezirk. Wir ersuchen das Bezirksamt diesbezüglich unter anderem in folgender Richtung aktiv zu werden:

  • Es sind Gespräche mit der Arbeitsagentur und dem Jobcenter aufzunehmen, um schnell und unbürokratisch Anträge zu bearbeiten und Zahlungen unverzüglich zu veranlassen.
  • Das Bezirksamt soll im kommenden Jahr über den eigenen Bedarf hinaus Ausbildungsplätze bereitstellen und durch Praktika o.ä. für eine Ausbildung in der Bezirksverwaltung werben.
  • In enger Zusammenarbeit aller beteiligten Akteure soll die Jugendberufsagentur des Bezirks bedarfsgerecht Ausbildungsplätze akquirieren und berufsvorbereitende/berufsorientierende Maßnahmen in erforderlicher Zahl und hoher Qualität bereit-halten, um jedem jungen Menschen nach Verlassen der Schule eine berufliche Perspektive zu ermöglichen.
  • Das Bezirksamt soll schnellstmöglich die Voraussetzungen für ein unbürokratisches Antragsverfahren für Wohngeld schaffen sowie den Bewilligungszeitraum für alle Wohngeldempfänger*innen automatisch um sechs Monate verlängern.

 

 

3. Die Corona-Krise hat schon lange bekannte Schwächen in der Digitalisierung der Berliner Verwaltung drastisch offengelegt. Die Digitalisierung der Verwaltung muss jetzt unverzüglich mit deutlich höherem Tempo als in der Vergangenheit vorangetrieben werden.

  • Es muss sichergestellt werden, dass alle offenen Stellen in unserem Bezirk bis spätestens Jahresende 2020 komplett besetzt sind.
  • Jede/r Beschäftigte/r, nicht nur in den Verwaltungsbereichen, sollte modernste PCs oder Laptops und ggf. Diensthandys als Arbeitsmittel zur Verfügung erhalten und im Umgang damit geschult werden.
  • Die Möglichkeiten für die Bürgerinnen und Bürger, für Unternehmen und andere zur digitalen Antragstellung, Einreichung von Unterlagen und Erledigung von Anforderungen etc. sind in Abstimmung mit dem Senat und anderen Bezirken deutlich zu beschleunigen. Der dafür vorgesehene Zeitplan muss vor dem Hintergrund der Erfahrungen der Corona-Krise überprüft und deutlich gestrafft werden.
  • Die Mittel, die zur beschleunigten Digitalisierung erforderlich sind, müssen umgehend bereitgestellt werden.
  • Wir ersuchen das Bezirksamt auch, den mit dem Senat abgeschlossenen Zukunftspakt Verwaltung zu aktualisieren und gegebenenfalls neue Prioritäten für seine Umsetzung zu vereinbaren. Das Bezirksamt soll in diesem Sinne im Rat der Bürgermeister initiativ werden.

 

4. Die bestehenden Investitions-, Sanierungs- und Modernisierungsvorhaben im Bereich Schulen, Kitas, Verwaltungsgebäude etc. sind zu überprüfen und zu beschleunigen. Schon aus konjunkturpolitischen Gründen ist bei allen Vorhaben zu prüfen, ob sie vorgezogen und/oder beschleunigt werden können, damit auch der Bezirk Mitte einen Beitrag zum antizyklischen Verhalten der öffentlichen Hand leistet. Das Bezirksamt wird ersucht, sich gegenüber dem Senat dafür einzusetzen, dass die im Haushalt eingestellten Mittel für Investitionen und bauliche Unterhaltung sowie Mittel aus Landesprogrammen wie dem Schul- und Sportstättensanierungsprogramm oder dem Kita- und Spielplatzsanierungsprogramm, die in diesem Jahr nicht verausgabt werden können, ins nächste Jahr 2021 übertragen werden können.

 

5. Der von der BVV beschlossene Haushalt für die Jahre 2020/21 ist und bleibt die finanzielle Grundlage für das Bezirksamt und die Bezirksverordnetenversammlung. Dabei ist uns bewusst, dass die Bewältigung der Corona-Krise erhebliche Mittel erfordert. Wir ersuchen das Bezirksamt unter anderem Folgendes sicherzustellen:

  • Änderungen im Bezirkshaushalt bedürfen der Zustimmung der Bezirksverordnetenversammlung.
  • Die Aufgabenerfüllung gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern ist ohne Einschränkungen, bei voller Aufrechterhaltung und Sicherung der sozialen Infrastruktur und gesetzlicher Ansprüche sicherzustellen.
  • Mehraufwendungen als Folge der Corona-Krise, die nicht durch Landes- oder Bundesmittel finanziert sind, sollen in enger Abstimmung mit der Bezirksverordnetenversammlung möglich sein, wenn dadurch soziale Härten vermieden, ihre Folgen gemindert, Teilhabe gewährleistet und Isolation und Ausgrenzung verhindert werden. Das gilt insbesondere für nötige Mehraufwendungen in den Bereichen Gesundheit und Soziales, Kinder- und Jugendhilfe, Familienförderung, Kultur und im gemeinnützigen Sport. Besondere Aufmerksamkeit gilt dem Erhalt der Wohnung und der Versorgung von Menschen ohne Obdach.
  • In diesem Sinne getätigte notwendige Mehraufwendungen dürfen nicht aus Einsparungen oder Umverteilungen im bezirklichen Haushalt finanziert werden. Das Bezirksamt wird ersucht, diese Mehraufwendungen gegenüber dem Senat geltend zu machen und auf eine entsprechende Basiskorrektur hinzuwirken.
  • Das Bezirksamt wird darüber hinaus ersucht, sich mit dem Senat über die Corona-bedingten Konsequenzen für die KLR-basierte Budgetierung zu verständigen.

 

 

6. Die Corona-Krise hat die Verwundbarkeit vieler Solo-Selbständiger, Kleingewerbetreiben-den etc. durch wirtschaftliche Krisen massiv deutlich gemacht. Das BA wird aufgefordert, sich gemeinsam mit dem Senat für einen energischen, bundesweiten Umbau der sozialen Sicherungssysteme in Richtung einer einheitlichen gesetzlichen Bürgerversicherung für alle einzusetzen, damit auch Selbständige und andere prekär lebende Bevölkerungsteile künftig in einer gemeinsamen gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung, einer gemeinsamen Arbeitslosenversicherung und einer gemeinsamen gesetzlichen Rentenversicherung gegen die Risiken des Lebens solidarisch geschützt sind und starke Schultern dafür gemeinsam einen solidarischen Beitrag leisten.

 

 

 

Rüdiger Lötzer,

sowie die anderen Mitglieder der Fraktion DIE LINKE