Interessenbekundungsverfahren Café Leo ist nicht rechtskonform und muss wiederholt werden

BVV Mitte von Berlin

15.11.2021

Fraktion DIE LINKE

Dringlichkeitsantrag

 

Interessenbekundungsverfahren Café Leo ist nicht rechtskonform und muss wiederholt werden

 

Die Bezirksverordnetenversammlung möge beschließen:

Das Bezirksamt wird ersucht, das für das Café Leo durchgeführte Interessenbekundungsverfahren noch einmal zu wiederholen, da (1) ein laufendes Widerspruchsverfahren des bisherigen Betreibers beim Bezirksamt noch anhängig ist, (2) das durchgeführte Interessenbekundungsverfahren gegen die Ausführungsvorschriften der Landeshaushaltsordnung verstößt und (3) weitere schwerwiegende Verfahrens- und Verhaltensfehler bei der Durchführung des IBV begangen wurden.

 

Bei der Wiederholung des Verfahrens ist zu beachten, dass (a) zuerst das rechtliche Ergebnis des Widerspruchsverfahrens des bisherigen Betreibers abgewartet wird, bevor ein neues Interessenbekundungsverfahren gestartet wird, (b) der Ausführungsvorschrift der Landeshaushaltsordnung (Anlage 1 zu Nr. 3 zu § 7 LHO) bei der Durchführung eines neuen IBV gefolgt wird, und (c) ein transparenter, zwischen BVV und BA konsensual geführter Prozess zur Besetzung der Jury und der Ausarbeitung der Kriterienmatrix erfolgt.

 

 

 

Begründung:

(1) Der bisherige Betreiber hatte im April beim Bezirksamt eine langfristige Nutzungsgenehmigung für das Café Leo am Leopoldplatz beantragt. Diese wurde vom Bezirksamt abgelehnt, woraufhin der jetzige Betreiber Widerspruch einlegte. Auf diesen Widerspruch hat das Bezirksamt bis heute nicht reagiert. Ohne eine diesbezügliche Klärung kann kein Interessenbekundungsverfahren durchgeführt werden.

(2) Die Ausführungsvorschrift der Landeshaushaltsordnung (Anlage 1 zu Nr. 3 zu § 7 LHO) besagt, dass die staatliche Aufgabe oder die öffentlichen Zwecken dienende wirtschaftliche Tätigkeit so genau beschrieben sein muss, dass ein Interessent auf der Grundlage dieser Beschreibung den Umfang und die Kosten dieser Aufgabe oder Tätigkeit berechnen kann. Insbesondere ist u.a. anzugeben, welche Kriterien für die Entscheidung im Interessenbekundungsverfahren maßgeblich sind und auf welchen Zeitraum sich die Maßnahme oder Tätigkeit erstrecken soll.
Der vom BA entwickelte Kriterienkatalog auf dessen Grundlage die Juryentscheidung gefallen ist, spiegelte die Kriterien des vom BA veröffentlichten Interessenbekundungsverfahren nicht korrekt wider. Darüber hinaus enthielt das vom BA veröffentlichten Interessenbekundungsverfahren keine Aussage über den Zeitraum der Maßnahme.

(3) Weitere schwerwiegende Verfahrens- und Verhaltensfehler bei der Durchführung des IBV

  • Die Bewertungsmatrix wurde den Jurymitgliedern zu Beginn der Jurysitzung nur vorgelegt und konnte inhaltlich von den Jurymitgliedern gar nicht diskutiert werden, obwohl dies im Vorwege durch BVV-Anträge gefordert war.
  • Schwerwiegende Fehler des BA bei der Konstituierung der Jury:
    • Das Bezirksamt versuchte die Stimmberechtigung der Jurymitglieder zu Gunsten des Bezirksamtes zu beeinflussen. Im ersten Schritte versuchte das BA den BVV-Vertreter:innen jeweils nur eine halbe Stimme zu geben. Erst nach Protest dieser zog das Bezirksamt diesen Versuch der einseitigen Einflussnahme auf das IBV-Ergebnis zurück, benannte dann aber spontan eine weitere anwesende BA-Mitarbeitende, die vorher nicht als Jurymitglieder benannt wurde, als Jurymitglied, um den BA-Einfluss auf das Ergebnis zu verstärken.
    • Dieses weitere Jurymitglied vertrat natürlich die gleiche negative Position gegenüber dem bisherigen Betreiber, wie die ihr fachlich vorgesetzte BA-Mitarbeitende, die nicht nur Jury-Mitglied war, sondern die für das gesamte Interessenbekundungsverfahren zuständige BA Mitarbeitende.
    • Letztere tat im Vorwege ihre negative Einstellung zum jetzigen Betreiber kund, vor allem durch Nichtachtung und mangelhafte Kommunikation Letzterem gegenüber, dies sogar auch im Rahmen von öffentlichen Sitzungen, wie z.B. dem Runden Tisch Leopoldplatz. Darüber hinaus kommunizierte sie im Rahmen eines öffentlichen Fachausschusses deutlich ihre negative Haltung gegenüber den gewählten zuständigen zivilgesellschaftlichen Vertreter:innen, der Stadtteilvertretung Müllerstraße.
    • Während die Jurymitglieder der BVV und des Vorstandes der BVV im Vorwege namentlich benannt werden mussten, legte das BA in keiner Weise dar, welche Vertreter:innen des Bezirksamtes/der Verwaltung an dem Verfahren teilnehmen. So war es auch nicht möglich, im Vorfeld hierzu eine Diskussion zu führen, inwieweit einzelne Jurymitglieder aufgrund der fachlichen und finanziellen Abhängigkeit gegenüber ihren Vorgesetzen nicht als Jurymitglied geeignet sind.
    • Ein Jurymitglied, Vertretende Person des Stadtplanungsamtes (Denkmalpflege), drückte sogar das Befremden über die vom BA gewünschte eigene Teilnahme zu Beginn der Jurysitzung aus, da sie bisher in das gesamten Verfahren nicht involviert gewesen sei und die Unterlagen erst kurzfristig bekommen habe, was ihr eine angemessene Einarbeitung nicht möglich gemacht habe.
    • Das Bezirksamt verletzte die gebotene Sorgfalt und Vertraulichkeit, indem es eine Person zu dem Juryverfahren einlud (und alle zum Verfahren gehörenden Unterlagen der Person zur Verfügung stellte), die gar nicht teilnahmeberechtigt war. Erst auf Protest einiger BVV-Jurymitglieder korrigierte das BA diesen Schritt.
  • Ein Jurymitglied äußerte starke Kritik an dem Protollverfahren der Jurysitzungen. Wichtige inhaltliche Protokollergänzungen wurden nur in Teilen übernommen und damit
    wichtige Informationen für das Verfahren nicht dargestellt. Es gab somit kein konsensual abgestimmtes Protokoll der 1. Jurysitzung.

 

 

Begründung der Dringlichkeit

Heute (15.12.2021) wurde bekannt, dass es in der Sache ein anhängiges und vom Bezirksamt bislang nicht abgeschlossenes Widerspruchsverfahren des bisherigen Betreibers gibt (der bisherige Betreiber hatte im April eine langfristige Nutzungserlaubnis beantragt, die vom BA negativ beschieden wurde, und auf diesen Bescheid der bisherige Betreiber Widerspruch eingelegt hatte), in dessen Rahmen der bisherige Betreiber heute (15.12.2021) einen Rechtsanwalt beauftragt hat, seine Interessen gegenüber dem Bezirksamt zu vertreten.

 

Sven Diedrich,

sowie die anderen Mitglieder der Fraktion DIE LINKE