Blick aus dem Amt - Symbolwahl für bisher Nichtwahlberechtigte

„Hier lebe ich – hier wähle ich“ ist Motto einer bundesweiten Kampagne, die mit symbolischen Wahlen und Veranstaltungen für politische Teilhabe wirbt. Hintergrund ist, dass zur diesjährigen Bundestagswahl über 4,5 Millionen in Deutschland lebende Menschen nicht wählen durften. Im Bezirk Mitte wohnen knapp 110.000 nicht wahlberechtigte ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger. Diese Menschen haben z.T. seit langer Zeit ihren Lebensmittelpunkt in Mitte, dennoch sind sie vom wichtigsten Teil politischer Gestaltung und Teilhabe ausgeschlossen. Auf den Veranstaltungen des Bezirksamtes zur Verleihung der deutschen Staatsbürgerschaft erfahre ich oft, dass ein wichtiger Grund für den Wunsch auf Einbürgerung das Wahlrecht ist.

Daher hat der Bezirk Mitte in diesem Jahr im Rahmen der bundesweiten Kampagne vor der Bundestagswahl eine Symbolwahl für Migrantinnen und Migranten ohne Wahlrecht organisiert. In der Woche vom 11.09. – 17.09.2017 entstanden dafür an über 22 Standorten in Wedding und Moabit Wahllokale. Es haben viele Vereine und Organisationen mitgemacht. Man konnte unbürokratisch eine symbolische Stimme zur Bundestagswahl und für mehr Partizipation von Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft abgeben. Einige hundert Menschen haben mitgemacht und wir haben erfahren, dass es für manche das erste Mal war, nach vielen Jahren in Deutschland um eine Meinung gefragt zu werden. Andere haben berichtet, wie schwer es ist, die eigene Staatsangehörigkeit abzugeben und/oder die deutsche zu erlangen, die Voraussetzung für das Wahlrecht ist. Wenn dadurch viele Menschen ausgeschlossen werden, die dennoch hier leben, macht es integrationspolitisch Sinn, nicht nur für Einbürgerung zu werben, sondern eine Ausweitung des Wahlrechts anzustreben. Die rot-rot-grüne Koalition will eine Bundesratsinitiative zur Änderung des Grundgesetzes ergreifen mit dem Ziel, für EU-Bürgerinnen und Bürger und Menschen aus Drittstaaten das Wahlrecht auf Landesebene sowie für Menschen aus Drittstaaten das kommunale Wahlrecht zu ermöglichen.

Die Symbolwahl in Mitte unterstützt diese Aussage. Gleichzeitig haben wir dafür geworben, dass diejenigen, die wahlberechtigt sind, ihr Wahlrecht nutzen sollen, denn auch auf ihre Stimmen kommt es an. Zwar hätten wir uns mehr WählerInnen gewünscht, aber Diskussionen gab es viele, und abschließend auch ein – nicht repräsentatives - Wahl-Ergebnis (nach Zweitstimmen lag die SPD knapp vor der Linken, der CDU und dann den Grünen), denn die Symbolwahl erfolgte in Anlehnung an die Bundestagswahl. Das gab auch Gelegenheit, das für viele, auch Wahlberechtigte, nicht ganz einfache System der Wahlen in Deutschland zu erklären.

Die mitmachenden Vereine und Organisationen haben im Übrigen gezeigt, dass es auch in der Nachbarschaft, in den Kiezen Möglichkeiten der Teilhabe, der Mitgestaltung gibt, die für lebendige Bezirkspolitik im Interesse der hier lebenden Menschen ganz wichtig sind. Für diese zu werben war auch Ziel des Bezirksamtes. Die Symbolwahl hat den Nicht-Wahlberechtigten eine Stimme gegeben und die wichtige Botschaft gesendet: Macht in Mitte mit! Ihr seid willkommen!

Sandra Obermeyer